Kann demonstriert werden, dass Gott existiert?

Einspruch 1. Es scheint, dass die Existenz Gottes nicht bewiesen werden kann. Denn es ist ein Glaubensbestandteil, dass Gott existiert. Aber was vom Glauben ist, kann nicht bewiesen werden, denn eine Demonstration bringt wissenschaftliche Erkenntnisse hervor; während der Glaube aus dem Ungesehenen besteht (Heb. 11,1). Deshalb kann nicht nachgewiesen werden, dass Gott existiert.

Einspruch. 2. Darüber hinaus ist die „Essenz“ (das Wesen) das, was mittelfristig gezeigt werden muss. Aber wir können nicht wissen, worin Gottes Wesen besteht, sondern nur darin, worin es nicht besteht; wie es in Damaskus heißt (De Fid. Orth. i. 4). Deshalb können wir nicht beweisen, dass Gott existiert.

Einspruch. 3. Und wenn die Existenz Gottes nachgewiesen würde, könnte dies nur durch seine Wirkung geschehen. Aber seine Wirkungen stehen in keinem Verhältnis zu ihm, da er unendlich ist und seine Wirkungen endlich sind; und zwischen dem Endlichen und Unendlichen gibt es keine Verhältnismäßigkeiten. Da eine Ursache nicht durch eine Wirkung nachgewiesen werden kann, die in keinem Verhältnis zu ihr steht, scheint es daher, dass die Existenz Gottes nicht nachgewiesen werden kann.

Im Gegenteil, sagt der Apostel: denn sein unsichtbares Wesen, nämliche seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, so dass sie keine Entschuldigung haben (Röm. 1,20). Aber dies wäre nicht der Fall, wenn die Existenz Gottes nicht durch die Dinge, die gemacht werden, bewiesen werden könnte; denn das erste, was wir über etwas wissen müssen, ist, ob es existiert.

Darauf antworte ich: Die Demonstration kann auf zwei Arten erfolgen: Das eine ist durch die Ursache, und das nennt man a priori, und das ist, von dem aus zu argumentieren, was absolut vor allem ist. Die andere ist durch die Wirkung und wird als Demonstration a posteriori bezeichnet; das heißt, von dort aus zu argumentieren, was nur relativ von uns aus vor allem ist. Wenn uns eine Wirkung besser bekannt ist als ihre Ursache, schließen wir von der Wirkung auf die Ursache. Und von jeder Wirkung kann die Existenz ihrer eigentlichen Ursache nachgewiesen werden, solange ihre Auswirkungen uns gut bekannt sind; denn da jede Wirkung von ihrer Ursache abhängt, muss, wenn die Wirkung existiert, die Ursache vorher existieren. Daher kann die Existenz Gottes, soweit sie für uns nicht selbstverständlich ist, anhand der uns bekannten Wirkungen Gottes nachgewiesen werden. [Anmerkung: Wow… <3]

Erwiderung auf Einspruch 1. Die Existenz Gottes und andere gleichartige Wahrheiten über Gott, die mit natürlicher Vernunft erkannt werden können, sind keine Glaubensbestandteile, sondern Präambeln (Voraussetzungen) zu den (der) Bestandteilen; denn Glaube setzt natürliches Wissen voraus, so wie Gnade die Natur voraussetzt, und Vollkommenheit etwas voraussetzt, das vervollkommnet werden kann. Dennoch spricht nichts dagegen, dass ein Mensch, der einen Beweis nicht fassen kann, als Glaubenssache etwas annimmt, das an sich schon wissenschaftlich bekannt und beweisbar ist.

Erwiderung auf Einspruch 2. Wenn die Existenz einer Ursache aus einer Wirkung nachgewiesen wird, tritt diese Wirkung an die Stelle der Definition der Ursache als Beweis für die Existenz der Ursache. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Gott, denn um die Existenz von irgendetwas zu beweisen, ist zunächst einmal die Bedeutung des Wortes und nicht sein Wesen zu akzeptieren, denn die Frage nach seinem Wesen folgt auf die Frage nach seiner Existenz. Nun sind die Namen, die Gott gegeben wurden, von seinen Wirkungen abgeleitet; Folglich können wir beim Nachweis der Existenz Gottes aus seinem Wirken [mittelfristig] die Bedeutung des Wortes „Gott“ annehmen.

Erwiderung auf Einspruch 3. Von Wirkungen, die in keinem Verhältnis zur Ursache stehen, kann keine perfekte Kenntnis der Ursache gewonnen werden. Doch aus jeder Wirkung lässt sich die Existenz der Ursache eindeutig nachweisen, und so können wir die Existenz Gottes aus seinen Wirkungen demonstrieren; obwohl wir aus ihnen Gott nicht vollkommen erkennen können, wie er in seinem Wesen ist.

(übersetzt aus Teil 1, Frage 2, Artikel 2: Thomas Aquinas. (1485). Summa theologica. (Fathers of the English Dominican Province, Übers.). London: Burns Oates & Washbourne)

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